Fachtag auf Schloss Varenholz zum Thema „Stärke statt Macht – Neue Autorität durch Beziehung“

Unter der Leitung von Dennis Haase, Diplom-Sozialpädagoge und Lehrtherapeut am IF Weinheim, Institut für Systemische Ausbildung & Entwicklung, veranstaltete Schloss Varenholz im Februar 2018 einen Fachtag für alle pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema „Präsente Stärke statt Macht – Einführung in die Methoden und Haltungen der professionellen Präsenz & Neuen Autorität“.  Ziel war es, die die wesentlichen Inhalte, Grundhaltungen und Interventionen der „Neuen Autorität“ und des „Gewaltlosen Widerstandes“ in der Erziehung kennenzulernen und anhand von Erfahrungsbeispielen der Teilnehmenden zu reflektieren.

Häufig werden die Lehr- und Fachkräfte in Schule und Jugendhilfeeinrichtung Schloss Varenholz mit auffälligen und auch gewalttätigen Verhaltensweisen der von ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen konfrontiert. Die verantwortlichen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Eltern sind mitunter ratlos, wie sie auf diese Verhaltensweisen kompetent reagieren sollen oder geraten in eskalierende Machtkämpfe, die zu weiterer Verzweiflung und Ohnmacht führen können. Auch die herkömmlichen Mittel und Trainingskonzepte geraten im Umgang mit hocheskalierten Systemen an ihre Grenzen.

Haim Omer, Professor für Psychologie an der Universität Tel Aviv, hat in diesem Zusammenhang das Konzept der „Neuen Autorität“ bzw. des „Gewaltlosen Widerstandes“ entwickelt. Es findet als systemischer Ansatz immer mehr Verbreitung in Schulen sowie in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Es bietet neue Wege für diejenigen, die mit „auffälligen“ Kindern und Jugendlichen und deren Familien arbeiten. Das Konzept beschreibt die Notwendigkeit, Autorität neu zu definieren und den verantwortlichen Erziehungspersonen Mittel an die Hand zu geben, um unter anderem Regeln aufzustellen und deren Einhaltung wertschätzend aufrechterhalten zu können. Die Betroffenen lernen, die entstandenen Eskalationsprozesse zu erkennen und aus diesen auszusteigen, deeskalierend und beziehungsfördernd vorzugehen und anhand der Interventionsmöglichkeiten der „Neuen Autorität“ neue Möglichkeiten in der Entwicklung tragfähiger Beziehungen zu entwickeln.

Interdisziplinärer Fachtag auf Schloss Varenholz

Pro Schulhalbjahr findet für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Schule und Jugendhilfeeinrichtung mit Internat Schloss Varenholz ein gemeinsamer Fachtag statt, um sich untereinander auszutauschen oder zu einem aktuellen pädagogischen Schwerpunktthema weiter zu bilden. Im November 2018 widmete sich der Fachtag dem Thema „Du erklärst mir deine Welt. – Ich erklär dir meine Welt.“ Ziel war es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Schule und Einrichtung weiter zu verbessern, indem Vertreter/innen aus beiden Abteilungen vertiefende Einblicke in ihre Arbeitsweisen und Arbeitsstrukturen gewährten.

In Form von Workshops wurden folgende Themen angeboten:

1. ELDIB (Entwicklungstherapeutischer/entwicklungspädagogischer Lernziel-Diagnose-Bogen): Einführung in die Verfahrensweise von ELDIB, dem Diagnoseverfahren zur sozialen und emotionalen Entwicklung.

2. AOSF (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung): Grundzüge der AOSF. Welche Fördermöglichkeiten bestehen in Schloss Varenholz für Kinder und Jugendliche mit AOSF. Abgrenzung von AOSF gegenüber anderen Förderschwerpunkten. Wo liegen die Grenzen von AOSF?

3. Lehrer- und Schülereinschätzbögen: Einführung in die Arbeitsweise. Ausfüllen der Bögen anhand von Fallbeispielen. Verwendung des Manuals. Umrechnung der Beurteilungsskala in Textbauscheine. Nutzung des Berichtswesens.

4. Shaknado vs. Schulsozialarbeit: Die Arbeit in der Schulsozialarbeit innerhalb der Sekundarschule. Herausforderungen, Verfahrenswege, Chancen.

5. Vorstellung der Schlossklasse: Einführung in die Arbeit mit Scoyo Scoyo, der Online-Lernplattform für Schüler/innen der Klassen 1-7.

6. SBW und sonstige Betreuungsformen: Einführung in die Arbeit im Sozialpädagogisch Betreuten Wohnen bzw. in sonstige Betreuungsformen.

7. Jugendhilfearbeit: Klärung von Begriffen, Paragrafen, gesetzlichen Vorgaben, Arbeitsweisen.

8. Open Space Raum: Ideenfabrik, Möglichkeit des internen Austausches, Ausprobieren von Lernspielen und Fördermaterialien.

Da es sich bei der Sekundarschule um eine Schule des gemeinsamen Lernens handelt, stießen bei den Mitarbeiter/innen aus dem Erziehungsdienst natürlich besonders die schulischen Fördermöglichkeiten für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf großes Interesse. Seit Beginn dieses Schuljahres arbeitet die Schule zudem im Hinblick auf die Diagnose des sozialen und emotionalen Entwicklungsstandes eines Förderschülers mit dem entwicklungstherapeutischen/entwicklungspädagogischen Lernziel-Diagnose-Bogen (ELDIB), so dass auch zu diesem Thema ein eigener Workshop angeboten wurde. Alle Workshops wurden über den Tag verteilt 4 – 5 mal angeboten, so dass jeder Mitarbeiter/in die Gelegenheit hatte, sein Wissensspektrum in den unterschiedlichsten Bereichen zu erweitern.

Bildungsministerin Gebauer zu Besuch in der Privaten Sekundarschule Schloss Varenholz

Die Private Sekundarschule sowie die Jugendhilfeeinrichtung mit Internat Schloss Varenholz standen im Mittelpunkt eines Besuchs von Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Martina Hannen, Landtagsabgeordnete für Lippe, Marianne Thomann-Stahl, Präsidentin der Bezirksregierung Detmold, sowie weiteren Vertretern aus Politik und Schulbehörde am Freitag, den 02. November 2018.  Martina Hannen war hocherfreut, sich gemeinsam mit den Gästen aus Düsseldorf über das besondere pädagogische Konzept der Sekundarschule informieren zu können: „Die gelungene Verbindung von Schule und Jugendhilfeeinrichtung und auch das Engagement des Landesverbandes Lippe als Eigentümer des Schlossgebäudes und Unterstützer des Internats bzw. der Sekundarschule Schloss Varenholz sind ein Glücksfall für die Region und ein Leuchtturmprojekt in NRW.“

Nach der Begrüßung durch die beiden Geschäftsführer von Schule und Internat, Thomas und Frederic Blauschek, hob der didaktische Leiter der Sekundarschule, Michael Meisel, im Rahmen einer Führung durch die Schulräumlichkeiten die große Heterogenität in der Schülerschaft auf Schloss Varenholz hervor. „Unsere Kinder und Jugendlichen kommen aus allen sozialen Schichten und  verfügen über teilweise sehr problematische schulische Karrieren. Das Spektrum reicht dabei von Schülern mit einer Gymnasialempfehlung bis hin zu Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, mit Schulverweigerungshaltungen, mit ADHS oder einer Autismus-Spektrum-Störung“, so Meisel. Um trotz dieser Vielfalt an Herausforderungen möglichst jeden Jugendlichen zum bestmöglichen Schulabschluss zu führen, verfügt die Sekundarschule neben einem engagierten Kollegium auch über zahlreiche Förderpädagogen, Schulsozialarbeiter sowie Lern- und Integrationshelfer. Hinzu kommt die enge Vernetzung bzw. interdisziplinäre Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfeeinrichtung. „Für uns steht Beziehungsarbeit, Achtsamkeit und individuelle Förderung an erster Stelle. Um dies zu gewährleisen und keinen Schüler aufgeben zu müssen, finanzieren wir insbesondere in der Schule viele Angebote und Stellen aus eigenen Mitteln, was allerdings aufgrund des allgemeinen Lehrermangels nicht immer einfach ist“, wies Thomas Blauschek auf ein Problem hin, mit dem gegenwärtig viele Schulen zu kämpfen haben. Dazu betonte Schulministerin Gebauer, dass das Land die Situation mit vielen verschiedenen Maßnahmen verbessern wolle: „Wir lassen nichts unversucht, den Lehrermangel zu bekämpfen. Daher haben wir bereits zwei Maßnahmenpakete vorgestellt. Dabei setzen wir sowohl auf kurz- als auch langfristige Maßnahmen. So müssen wir etwa auf lange Sicht wieder mehr Lehrpersonal an unseren Universitäten ausbilden. Aufgrund der gegenwärtigen Situation arbeiten wir aber auch mit Ansätzen, die sofort positiv wirken, wie zum Beispiel der Erweiterung des Seiteneinstiegs.“

Im Anschluss besichtigte die Ministerin eine Wohngruppe der Jugendhilfeeinrichtung mit Internat sowie die Schulstation Schloss Varenholz – eine interdisziplinäre Lern- und Lebensgruppe, in der prognostisch schwer beschulbare oder sogenannte KrisenschülerInnen, die aufgrund von Schulangst, Schulverweigerung oder einer sonstigen individuell gelagerten Krise nicht mehr dem Unterricht folgen können, betreut werden.  Ziel der Beschulung in der Schulstation ist, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, wieder in die Klasse/Schule integriert zu werden und gemeinsam mit der Klasse dem Unterricht folgen zu können. „Durch das Vorhalten einer Schulstation konnten wir die Zahl der schulisch bedingten Abbrüche von Jugendhilfemaßnahmen in den letzten Jahren wesentlich reduzieren“, verdeutlichte Peter Greitemann, Einrichtungsleiter, seine positiven Erfahrungen mit diesem schulpädagogischen Angebot.

Ermöglicht werden diese besonderen Angebote u. a. durch den Landesverband Lippe als Eigentümer von Schloss Varenholz. „Wir leisten seit jeher mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Immobilienabteilung die Bauunterhaltung für das Schloss und die Schulgebäude und arbeiten hier eng, sehr vertrauensvoll und erfolgreich mit Internat und Schule sowie mit der Elisabeth Engels Stiftung, der die Schulgebäude gehören, zusammen. Es ist uns sehr wichtig, regelmäßig in Bausubstanz und Infrastruktur zu investieren und den Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften optimale Bedingungen zu bieten“, erläuterte Anke Peithmann, Verbandsvorsteherin des Landesverbandes Lippe. „Das Modell ist einzigartig: Wir unterstützen hier ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das im Bereich Sekundarschule und Internat vorbildliche Arbeit leistet und sehr erfolgreich ist, und tragen so auch dazu bei, im ländlich geprägten Varenholz Arbeitsplätze zu erhalten bzw. im besten Fall zu schaffen.“

Frederic Blauschek wies abschließend auf zwei Projekte hin, die der Schulgesellschaft in naher Zukunft besonders am Herzen liegen. „Da wir unser fachliches Förderprofil weiter ausbauen möchten, werden wir uns als Talentschule bewerben. Außerdem planen wir die Einrichtung einer speziellen Berufsorientierungsklasse, um unsere Schülerinnen und Schüler noch besser auf den Einstieg in das Berufsleben vorbereiten zu können.“ Bildungsministerin Gebauer wünschte für diese Vorhaben viel Glück und bedankte sich bei der Verabschiedung für viele interessante Eindrücke. Martina Hannen versprach, die Anliegen von Schule und Schulträger „mit nach Düsseldorf“ zu nehmen. „Ich bin froh und dankbar, insbesondere auch für die offene Kommunikation. Wir sind bei unserer Arbeit auf Input und Feedback aus der Schulpraxis angewiesen,“ so Hannen zum Abschluss.

Bilduntertitel:
Thomas Blauschek (3. v.l.), Geschäftsführer der Schulgesellschaft, erläutert Ministerin Yvonne Gebauer (3.v.r.) die pädagogischen Schwerpunkte der Sekundarschule Schloss Varenholz. Auch Anke Peithmann (l.), Vorsteherin des Landesverbandes Lippe, und Martina Hannen (r.) folgen interessiert seinen Ausführungen.